Quid facit cum psalterio Horatius? Eine Untersuchung der literarischen Inszenierung kulturellen Wandels bei Hieronymus mithilfe digitaler Intertextualitätsanalyse

bearbeitet von: Marie Revellio

 

„Was hat Horaz mit den Psalmen zu tun?“ (Hier. epist. 22,29,7) Diese Frage wirft exemplarisch die Dichotomie von klassisch-heidnischer und christlicher Literatur wie auch Kultur auf, die den Kirchenvater Hieronymus (um 347-420) in seinem Wirken begleitete. Hieronymus kann in mehrfacher Hinsicht als ein Grenzgänger und Vermittler zwischen den unterschiedlichen Kulturräumen des griechischen, schon stärker christlich geprägten Ostens und des lateinischen, insbesondere in Gestalt seiner senatsaristokratischen Führungsschicht noch stärker im Heidentum verhafteten Westens betrachtet werden.
 
Die bei Hieronymus so exemplarische Fokussierung auf Literatur und deren Lektüre als Identitätskonstituens spätantiken Christseins legt nahe, in seinen Werken Intertextualitätsphänomene selbst als zentrale Verhandlungsorte kultureller Standortbestimmungen in den Blick zu nehmen: Welche klassisch antiken Autoren und Texte, welche Bücher der Bibel zitiert Hieronymus? Verarbeitet er christliche Zitate und Anspielung in anderer Weise als heidnische?
 
Die Untersuchung nimmt ihren Ausgang bei den Briefen des Hieronymus. Dabei betrachtet sie intertextuelle Verweise als Markierungen der (literarischen) Verarbeitung kultureller Transformation und Hybridisierung durch Christianisierung, indem sie die intertextuellen Referenzen in ihrer Beschaffenheit und dem Modus ihrer narrativen Einbettung untersucht. Können die Intertextualitätsphänomene als Instrumente der Autorisierung und Legitimierung des eigenen Schreibens oder als Strategien kultureller Abgrenzung und Distanzierung aufgefasst werden? Inwieweit spielen sie eine Rolle bei der hieronymianischen Konzeption christlicher Autorschaft?
 
Zur Erkennung intertextueller Verweise werden digitale Methoden des Textvergleichs eingesetzt, die eigens auf die Spezifika der lateinischen Sprache, insbesondere die sehr reiche Flexion ausgerichtet sind. Durch computergestützte morphologische, semantische, syntaktische und phonologische Analysen sehr umfassenden Textmaterials können Übereinstimmungen und Ähnlichkeiten einzelner Textpassagen von Hieronymus‘ Briefen mit klassisch-heidnischen wie christlichen Texten ermittelt werden. Über einen Vergleich der durch digitale Verfahren gewonnenen Ergebnisse mit manuell zusammengetragenen Forschungsständen können sowohl die Potentiale beider Verfahren der Intertextualitätsanalyse als auch ihrer Kombination ausgelotet werden. Auch die sich anschließende detaillierte stilistische Untersuchung der einschlägigen intertextuellen Referenzen wird durch digitale Textanalyseverfahren flankiert.